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Strafbarkeit wegen Mordes bei „illegalem Autorennen“ im öffentlichen Straßenverkehr? (sog. „Berliner Raser-Fall“)

Immer wieder kommt es vor, dass unbeteiligte Personen aufgrund von illegalen Autorennen – unter Verwendung von hochmotorisierten Fahrzeugen – im öffentlichen Straßenverkehr zu Tode kommen. Der Gesetzgeber hat sich daher veranlasst gesehen dafür einen eigenen Straftatbestand zu schaffen. Seit Oktober 2017 ist in § 315d des Strafgesetzbuches (StGB) ein solches Verhalten als „verbotenes Kraftfahrzeugrennen“ strafbar. Nach Absatz der Vorschrift kann sogar eine lebenslange Freiheitsstrafe verhängt werden.

Was war passiert?

In der Berliner Innenstadt haben sich zwei Personen in der Nacht vom 31.01.2016 auf den 01.02.2016 ein illegales Autorennen geleistet. Dabei sind sie – bei erlaubten 50 km/h – ca. 140-170 km/h schnell gefahren. An einer Kreuzung rammte einer der beiden Angeklagten einen Wagen eines Rentners, welcher vorschriftsmäßig bei Grün gefahren ist. Sein Fahrzeug wurde 70 Meter weit über die Straße geschleudert. Der Rentner starb noch an der Unfallstelle, seine Beifahrerin wurde schwer verletzt.

Rechtliches Problem der vorherrschenden Konstellation

Die streitig zu klärende Rechtsfrage in der vorliegenden Konstellation war eine Abgrenzung des Eventualvorsatzes (der billigen Inkaufnahme des Todes) von der bewussten Fahrlässigkeit. Dabei wird der Eventualvorsatz dann zu bejahen sein, wenn der Täter den Tod als mögliche Folge seines Handelns erkennt und sich mit dem Eintritt des Todes abfindet, wenngleich der Erfolgseintritt unerwünscht oder gleichgültig ist. Bewusste Fahrlässigkeit liegt hingegen vor, wenn der Täter auf das Ausbleiben des Erfolges vertraut und sich dabei denkt „es werde schon gut gehen“.

Chronologie der Gerichtsentscheidungen

Das Landgericht Berlin hat die beiden Angeklagten 2017 wegen mittäterschaftlich begangenen Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und mit vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt (LG Berlin, Urt. v. 27.02 (535 Ks) 251 Js 52/16 (8/16). Das Landgericht sah es somit als bewiesen an, dass die beiden Angeklagten mit bedingtem Vorsatz handelten und das Leben unbeteiligter Dritter billigend in Kauf genommen haben.

Der Bundesgerichtshof hob dieses Urteil vom 01.03.2018 auf (BGH Urt. v. 01.03.2018 – 399/17). Der Bundesgerichtshof sah die Annahme eines bedingten Tötungsvorsatzes als nicht festgestellt an, da sich das Landgericht nicht mit einem „wesentlichen vorsatzkritischen Gesichtspunkt, der möglichen Eigengefährdung der Angeklagten im Fall einer Kollision mit einem anderen Fahrzeug nicht in rechtlich tragfähiger Weise auseinandergesetzt hat“. Somit wurde das Urteil zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere Kammer des Landgerichts Berlin zurückverwiesen.

Das Landgericht Berlin (Urt. v. 26.03.2019 – (532 Ks) 251 Js 52/16 (9/18) verurteilte die Angeklagten erneut wegen mittäterschaftlich begangenen Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und mit vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs zu lebenslanger Freiheitsstrafe. Hiergegen legten die Angeklagten erneut Revision ein, sodass sich der Bundesgerichtshof ein weiteres Mal entscheiden musste.

Der Bundesgerichtshof hob das Urteil des Landgerichts Berlin erneut auf, dieses Mal aber nur gegen einen der beiden Angeklagten (Urt. v. 18.06.2020 – 4 StR 482/19). Bezüglich des einen Angeklagten sah der Bundesgerichtshof die mittäterschaftliche Begehungsweise als nicht gegeben an. Denn ein mittäterschaftliches begangenes vorsätzliches Tötungsdelikt setze voraus, dass der gemeinsame Tatentschluss auf die Tötung eines Menschen durch wechselseitiges Zusammenwirken gerichtet ist. Ein gemeinsames, wechselseitiges Zusammenwirken sei vorliegend aber nicht ersichtlich.

Bezüglich des Mitangeklagten, welcher die Kollision mit seinem Fahrzeug verursachte, bestätigte der Bundesgerichtshof das Urteil des Landgerichts Berlin vom 26.03.2019. Der Bundesgerichtshof sah den bedingten Tötungsvorsatz nunmehr als bewiesen an. Er betonte jedoch ausdrücklich, dass es streng vom Einzelfall abhängt, ob ein solcher Tötungsvorsatz vorliegt und auch nachgewiesen werden kann. Es bedarf somit immer einer konkreten Einzelfallbetrachtung. Die grundsätzliche Möglichkeit bei illegalem Autorennen – wobei eine unbeteiligte Dritte Person tödlich verunglückt – wurde nun erstmals rechtskräftig entschieden.

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